achteinhalb, Saarbrücken, 10.11.2016
Mittlerweile eine zweite Reihe von „Meilensteinen der Filmgeschichte“ bietet das Saarbrücker Programmkino achteinhalb an, und schon ärgerlich häufig habe ich mir daraus Vorführungen entgehen lassen, die doch sehr schön Wiederbegegnungen oder gar erstmalige Erkundungen großer Filmkunstwerke auf der Leinwand ermöglichen. Der Rundgang dieser Saison ist schon so weit der Gegenwart, oder zumindest der eigenen Kino-Biographie, nahegekommen, dass ich nicht auf weit entlegene Klassiker blicke, sondern auf Filme, die ich schon fast gesehen haben könnte, als sie neu waren. Doch stecken gerade in diesem „fast“ womöglich besonders viele Lücken, drohte das unmittelbar Vorausgehende doch leicht übersprungen worden und auch retrospektiv nicht in den Blick gekommen zu sein. So ist für mich Peter Greenaway zwar ein berühmter Name, aber habe ich irgendeinen seiner Filme vor „Der Koch, …“ auch gesehen? (Gut, so sehr viele spätere auch nicht …) Den für sein Werk wahrscheinlich archetypischen ersten langen Spielfilm „Der Kontrakt des Zeichners“ jedenfalls noch nie, was nun nachzuholen schöne Gelegenheit bestand.
Der Plot ist im Grunde der reine Irrsinn, angefangen damit, dass der Zeichner Neville den Auftrag zur Zeichnung des Herbert’schen Gutshauses und Gartens nur um der Vertragsklausel willen annimmt, dass ihm die Hausherrin sexuell zu Diensten ist, bis in die verworrene Entwicklung einer tödlichen Intrige um und durch die Protagonsisten dieses landadligen Haushalts. Pure Kolportage, die das Gemachte und Konstruierte des ganzen Spiels lustvoll ausstellt. Denn letztens geht es dem Maler Greenaway in seinem Künstler-Stück nur um die Bilder, das freilich in aller Absolutheit: um das Sehen, um die Wahrnehmung, und damit schließlich natürlich um die Wahrheit und um den Schein. Denn auch und gerade die Bilder werden an- und eingerichtet. In einer Einführung zur jetzigen Vorführung hatte Joachim Frenk, Professor für britische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität des Saarlandes, den nach eigener Aussage durch Eisenstein zum Film gebrachten Greenaway auch damit zitiert, der Zuschauer solle bei ihm jeden Schnitt spüren: mithin das Konstruktive der Filmerzählung bewusst wahrnehmen. Der Zusammenhang ist genauso gemacht, wie es jedes einzelne Bild ist. Greenaways Trick, eine solche Wirkung tatsächlich sehr stark zu erzielen, ist einfach. Jedes einzelne Bild ist so sorgsam kadriert, wie es der Zeichner Neville mit seinen rahmenden und gliedernden Hilfsmitteln unübersehbar vormacht; jedes einzelne für sich, eins für eins gestellt, ohne Übergänge. Die Kamera steht und blickt gerade, sie schwenkt nicht, sie zoomt nicht, alle Bilder sind, äußerlich, statisch. Die einzige Art von Kamerabewegung ist ihrerseits höchst artifiziell und sich selbst als Mittel deutlich machend: Sie fährt eine Reihe von aufgereihten Personen parallel ab, hin und her. Nicht statisch ist freilich der Inhalt der Bilder, obgleich selten viel passiert. Doch sie verändern sich mehr, als es dem perfektionistischen Zeichner gefallen mag, und, das versteht sich an dieser Stelle schon, die Veränderungen setzen bedeutungsvolle Zeichen, Verweise, die jedoch erkannt und entschlüsselt werden wollen. Wobei die Zusammenhänge abermals höchst konstruiert sind, eher an der Nase herumführen als ein kongruentes Ganzes zu ergeben.
Das ist natürlich schon sehr 80er (der Film entstand 1982), sehr postmodern, und dessen war man dann ja auch schnell wieder überdrüssig, weil es allzuleicht ein verquastes l’art pour l’art ohne Sinn und Ziel geworden ist. Darüber aber ist Greenaways Film erhaben. Bei ihm kann man sich an dem tänzelnden Spiel erfreuen, es regt an und verdrießt nicht. Es mag keine Antwort wissen, aber es nimmt seine Fragen ernst und bricht sie ironisch zugleich. Es stellt das Konstruktivistische aus und haftet doch fest im Sinnlichen. Ein Fest für die Augen und ein Fest für den Geist.